Warum gibt es das Offenes-Studio?
"Es sieht aus wie ein Foto!"
…sagen oft begeistert die Laien und Kunstinteressierten – und genau in solchen Momenten denke ich nach.
Heutzutage gibt es unzählige Zeichenstudios, Kunstkurse und sogar Online-Unterricht.
Doch bei den meisten dieser Kurse basiert der Lernprozess fast immer auf dem Abzeichnen von Fotografien: Porträts, Bilder und Vorlagen werden kopiert, um schnelle und scheinbar beeindruckende Fortschritte zu erzielen.
Die Frage ist jedoch: Lernt man dabei wirklich zu sehen, zu beobachten und zu verstehen – oder lediglich, wie man ein Foto kopiert?
Das Arbeiten nach Fotovorlagen bedeutet vor allem, eine technische Übung zu trainieren: Proportionen zu erkennen und Tonwerte so darzustellen, dass ein fotorealistischer, also fast fotografischer Effekt entsteht.
Doch das ist eine zweidimensionale Übertragung in eine andere Zweidimensionalität – von 2D zu 2D.
Im Gegensatz dazu geht es bei der traditionellen Kunst, wie sie Jahrhunderte lang praktiziert wurde, um etwas völlig anderes:
Wir betrachten die dreidimensionale Welt und versuchen, diese in zwei Dimensionen festzuhalten. Dabei arbeitet unser Gehirn – wir lernen, Raum, Tiefe, Licht, Schatten und Proportionen bewusst wahrzunehmen.
Und genau das tun wir im Offenes-Studio: Wir arbeiten nach lebenden Modellen.
Was macht das Offenes-Studio besonders?
In unserer informationsüberfluteten Welt ist Aufmerksamkeit eines der seltensten Güter. Wirklich hinzusehen gehört zu den schwierigsten Aufgaben überhaupt – und genau darauf konzentrieren wir uns.
Im Offenes-Studio zeichnen, malen und modellieren wir nach dem lebenden Modell.
Wir üben das Beobachten und das Abstrahieren – Fähigkeiten, die beim gängigen Foto-Nachzeichnen fast völlig verloren gehen.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir Fotografien komplett ablehnen:
Fotos und Dokumentationen spielen durchaus eine Rolle – immer dann, wenn sie in der Planung und im kreativen Prozess wirklich relevant sind.
Aber unser Kernprinzip bleibt: Sehen lernen. Wirklich sehen.